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Wer mich all zu ernst nimmt, hat ein Problem, wer nicht, auch.

Textid ist 20

Zwischen Alltag und Apfelduft

Der alltag hat ihn wieder und das íst gut so

„Zwischen Alltag und Apfelduft“

Die Tage flossen ineinander wie warme Farben auf nassem Papier. Die Gänge unter dem Haus, die Messungen, die nächtlichen Gedanken – all das rückte langsam in den Hintergrund. Nicht aus Desinteresse, sondern weil das Leben über der Erde lauter sprach.

Sebians Arbeit im Dorf lief gut, sogar sehr gut. Die lokale Metallfirma hatte nach seiner Beratung nicht nur ihre Produktionsdaten digitalisiert, sondern auch begonnen, selbstständig kleinere Automatisierungsideen zu entwickeln. Der alte Werkstattleiter, skeptisch wie ein Felsbrocken, grüßte ihn nun täglich mit einem Nicken, das fast wie Anerkennung wirkte.

Er arbeitete von seinem Büro aus – ein heller Raum im Obergeschoss, mit Blick auf die Apfelbäume und den Hügel, unter dem die Gänge lagen. Meist saß er vormittags am Laptop, tippte, simulierte, schickte Vorschläge durch Glasfaserleitungen, während draußen Traktoren tuckerten und Kinder durch Gärten tollten.

Das Dorf hatte ihn längst angenommen. Beim Bäcker wusste man, dass er freitags lieber Mohnbrötchen als Kürbiskernbrot nahm. Beim monatlichen Stammtisch fragte man ihn nicht nur nach Technik, sondern auch nach Meinungen zu Straßenlaternen oder gemeinschaftlichem Gemüseanbau.

Mit Moni trank er regelmäßig Tee auf der Terrasse – sie war unverändert ruhig, wach und freundlich fordernd. Von den Gängen sprach er selten. Nicht, weil sie unwichtig waren, sondern weil die Gegenwart so viel Klang hatte.

Conni schrieb ihm eine Nachricht: „Wenn du Ruhe brauchst, ich bin auch mal offline.“ Fred schickte eine Postkarte mit einem selbstgemalten Kaktus darauf und dem Satz: „Lösungen wachsen auch aus Dornen.“ Smy hatte einen Podcast gestartet, in dem sie Tierverhalten mit Liebesphilosophie verknüpfte – und Sebian tauchte in Episode 3 als „der stille Beobachter mit Hügelblick“ auf.

Und Ulf? Der hatte begonnen, ein Kunstprojekt mit alten Drohnen zu entwerfen – „Lufterinnerung als Protestform.“ Niemand verstand es ganz, aber das war auch nicht nötig.

Zwischendurch hackte Sebian Holz, flickte Zaunlatten, las in einem Buch über alte Handwerksregeln. Er fühlte sich nicht angekommen – sondern angekommen und unterwegs zugleich.

Der Keller? Ja, den gab es. Die Kartografien lagen sicher auf seiner Festplatte. Die Stirnlampe war geladen. Aber gerade war die Oberfläche voller Leben – und darunter durfte das Rätsel ruhig noch ein wenig atmen.