Geschichten und Skuriles featured by JuSto

Wer mich all zu ernst nimmt, hat ein Problem, wer nicht, auch.

Textid ist 15

Zwischen zwei Haltestellen

Ja, ja dieser Fred

„Zwischen zwei Haltestellen“

Die Sonne hing flach über den Dächern der Stadt, als Sebian aus dem Tagungshotel trat, das seine Schultern mit uniformer Geschäftsarchitektur belastet hatte. Es war einer dieser Termine, bei denen man vieles sagt und wenig erinnert. Die Straßen seiner Geburtsstadt wirkten seltsam kleiner, verwinkelter, als hätte sie sich heimlich umgebaut seit seiner Kindheit.

An der Straßenbahnhaltestelle, dort wo man früher Sammelbilder getauscht hatte, lehnte ein Mann an einem Betonpfeiler – schlaksig, mit etwas zu weitem Hemd, einem Notizbuch unter dem Arm und dem zerzausten Charme eines Menschen, der mit jeder Windrichtung mitschwingt. Fred.

„Sebian?“ sagte er, fast wie eine Vermutung.

Sebian drehte sich, brauchte eine Sekunde.

„Fred!“

Ein kurzes Lachen, eine Umarmung, die mehr Geste war als Gefühl – aber ehrlich.

„Was machst du hier?“ fragte Sebian.

„Kulturbüro-Workshop. Irgendwer hat beschlossen, dass Lebenskünstler auch gelegentlich PowerPoint beherrschen sollten.“ Er grinste. „Ich konvertiere gerade mein Denken in Tabellen. Du würdest weinen vor Glück.“

„Und du? Immer noch im Nebel der Technik?“ fragte Fred und tippte gegen Sebians Schulter wie auf eine Telefontaste.

„Mehr oder weniger. Ich helfe Firmen dabei, Zukunft nicht für einen Irrtum zu halten.“

Sie gingen nebeneinander her, vorbei an einem alten Bäcker, dessen Auslage so aussah, als hätte sie 1987 beschlossen, nie zu altern. Das Gespräch war locker, leicht schräg, wie immer bei Fred.

Er redete von Theaterprojekten mit Obdachlosen, von einem selbst erfundenen Kartenspiel, das angeblich das Konsumverhalten offenlege, und von seiner Theorie, dass Uhren eigentlich Schuld am Kapitalismus seien.

Sebian hörte zu, schmunzelte, ließ sich treiben. Über den Keller, den Gang, die Lichtung – darüber sprach er kein Wort.

Nicht, weil Fred ihm nicht zuhörte.

Sondern weil er sich sicher war, dass Fred innerhalb einer Woche ein philosophisches Blogprojekt über „unterirdische Lebenswege und das kollektive Unbewusste“ starten würde und dabei – versehentlich – sämtliche Details in die Welt streuen könnte. Nicht böswillig. Einfach… enthusiastisch.

Als sich ihre Wege trennten – Sebian zum Bahnhof, Fred zu einem Treffen mit einem „improvisierten Chor aus Leuten, die nie singen wollten“ – blieben sie in einer Umarmung, die das gute Alte in sich trug.

„Meld dich,“ sagte Fred. „Wenn du mal zwischen den Realitäten was brauchst.“

„Mach ich,“ sagte Sebian.

Und während er ging, dachte er: Manche Freunde behält man besser als Figur. Andere tauchen wieder auf – zur richtigen Zeit.