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Wer mich all zu ernst nimmt, hat ein Problem, wer nicht, auch.

Textid ist 14

Wiedersehen unter Strom

Ein Wiedersehen

„Wiedersehen unter Strom“

Die Fortbildung war nicht Sebians Idee gewesen – eher eine freundliche Pflicht. Ein zweitägiges Netzwerktreffen zu smarter Automatisierung, ausgerichtet von einem regionalen Verbund mittelständischer Betriebe. Er reiste frühmorgens in die größere Stadt, Laptop im Rucksack, Gedanken halb bei seinen laufenden Projekten, halb bei der Waldlichtung hinter seinem Haus.

Der erste Tag war Routine: Präsentationen über Retrofit-Lösungen, Rollouts von MES-Systemen, Gespräche über Förderprogramme und Fachkräftemangel. Abends, als die Teilnehmer auf Einladung eines Startups zu einem ungezwungenen Zusammensein in einem Loft eingeladen wurden, fühlte sich Sebian bereits ausgebrannt.

Er betrat den Raum mit einem Glas Apfelschorle und ließ den Blick über die versammelten Menschen schweifen. Und dort – in einem ruhigen Winkel zwischen zwei Flipcharts, ganz in sich, ganz unscheinbar – stand Conni.

Ihr Haar war kürzer als damals. Sie trug ein schlichtes Hemd, eine dunkle Stofftasche und sah aus wie jemand, der nebenbei die Grundlagen von Quantenlogik erklären könnte, ohne die Stirn zu runzeln.

Er trat näher.

„Conni?“ fragte er, halb sicher, halb erstaunt.

Sie drehte sich und lächelte, dieses ruhige, unaufgeregte Lächeln, das nie versuchte, mehr zu sein als es war.

„Na endlich,“ sagte sie. „Du hast lange gebraucht.“

„Du bist… hier?“

„Scheinbar. Ich dachte, ich bilde mich mal fort, bevor ich ganz arrogant werde.“

Sie setzten sich an einen Randtisch. Die Gespräche um sie herum verschwammen in Hintergrundrauschen. Und innerhalb weniger Minuten war es, als wären die Nächte im Studium nie vergangen – die Stunden, in denen sie über KI, Sprache, Physik und Philosophie geredet hatten, Tee getrunken, gestritten, gelacht.

„Was machst du gerade?“ fragte sie.

„Beratung für KMUs. Industrie 4.0, Schnittstellen, manchmal auch etwas Robotik.“

Sie nickte. „Passt zu dir.“

„Und du?“

„Forschung. Mensch-Maschine-Interaktion. Viel Theorie, wenig Schlaf. Und am Rand ein Projekt, das fast niemand ernst nimmt – aber das wahrscheinlich irgendwann die Grundlagen verändert.“

Sebian lächelte. „Das klingt exakt nach dir.“

„Und bei dir? Alles okay?“

Er zögerte. Dann erzählte er ihr von Falkenried, vom Erbe, vom Haus. Von Moni, vom Dorf, vom Gang im Keller.

Conni hörte zu, aufmerksam, aber ohne Kommentar.

„Du weißt, dass das nichts ist, was ich einfach so abhake?“ sagte Sebian zum Schluss.

Conni nahm einen Schluck Tee.

„Ich weiß. Du bist da wie ein Magnet für lose Enden.“

„Moni meint, ich solle mich lieber auf das Hier und Jetzt konzentrieren.“

„Das ist klug. Sie hat ein gutes Gefühl für Menschen. Aber du… du brauchst Tiefe. Sonst wirst du oberflächlich, und das passt dir nicht.“

Sebian lachte. „Und du? Kommst du mal vorbei?“

„Vielleicht. Aber nur, wenn du mir versprichst, dass du mir nicht versuchst, den Gang gleich als Datenleitung zu erklären.“

„Abgemacht.“

Und da war sie wieder – die Verbindung, die nie Pause gemacht hatte. Nicht romantisch. Aber echt.