Geschichten und Skuriles featured by JuSto

Wer mich all zu ernst nimmt, hat ein Problem, wer nicht, auch.

Textid ist 11

Der verborgene Gang

Was sebian endteckt.

Der verborgene Gang

Sebian stand mitten zwischen den alten Kartons, als er den Luftzug spürte – kaum mehr als ein Hauch, wie das Flüstern eines unsichtbaren Besuchers. Der Keller war still, wie immer. Kühle Mauern, gelegentliches Tropfen von Kondenswasser, und die vertraute Dunkelheit, die von der einzelnen Glühbirne in der Decke nur unvollständig vertrieben wurde.

Er hielt inne.

Der Luftzug war da. Wieder. Ganz fein, aber eindeutig. Und vor allem – unmöglich. Der Keller war in den Hang gebaut, vollständig umschlossen von Erde und Stein. Es gab nur eine Tür nach oben und kein Fenster, kein Schacht. Keine logische Erklärung.

Sebian schaltete die Deckenlampe aus, um den Raum genauer zu spüren. In der Stille des Halblichts folgte er der Bewegung der Luft mit geschärften Sinnen, tastete sich entlang der feuchten Wand. Zwischen zwei großen Regalen, die er bei seinem Einzug achtlos nebeneinander gestellt hatte, war ein schmaler Spalt.

Er schob die Regale auseinander – schwer, staubig, knarrend. Dahinter kam ein kleiner Abschnitt unverputzter Wand zum Vorschein, und in der Mitte: eine rechteckige Linie, kaum sichtbar. Ein eingelassenes, verriegeltes Paneel.

Es war keine Tür im klassischen Sinne, eher eine technische Klappe, mit einem alten Drehmechanismus – untypisch für das rustikale Haus. Fast schon… industriell. Sebian beugte sich vor, untersuchte die Verriegelung. Ein feines Scharnier, ein gedämpftes Klicken. Und dann öffnete sich die Wand – und enthüllte einen dunklen Gang, schmal, etwa mannshoch, mit einer stufenlosen Neigung, die sich in den Hügel hineinzog.

Die Luft war trocken, leicht metallisch. Nicht unangenehm – eher wie die Luft in einer alten Werkhalle, lange nicht betreten.

Er griff nach der kleinen Stirnlampe, die er noch im Regal aufbewahrte, und zögerte einen Moment. Es war kein Angstgefühl. Nur eine seltsame Mischung aus Neugier und Respekt.

Was auch immer Johannes Reiter hier hinterlassen hatte – es sprach nicht laut. Es wartete.